In einem erstklassigen Hotel muss natürlich die Hardware stimmen – aber was vor allem zählt, ist die Haltung des Hauses gegenüber dem Gast.
Natürlich werde ich sehr oft gefragt, an welchen Faktoren ich die Qualität eines Hotels festmache. Das ist zum einen die Hardware, also alle Dinge, die Sie tatsächlich anfassen und auf ihre Qualität mit den eigenen Augen prüfen können. Dazu zählen für mich beispielsweise die Basics wie frische Blumen, hochwertige Handtücher und Bettwäsche und ein großzügiger Umgang mit kleinen Annehmlichkeiten wie hochwertigen Kosmetikprodukten, Tee und Kaffee auf dem Zimmer. Zeigen sich Abnutzungsspuren oder wirkt alles wie gerade erst frisch renoviert?
Vor allem erkennen Sie ein gutes Hotel aber auch an der Haltung gegenüber dem Gast. Sind alle Prozesse ganz auf den Gast ausgerichtet, ist die Haltung exzellent, hat sich der Gast den Prozessen unterzuordnen? Wenn hier Mängel festzustellen sind, ist das einfach nur unerfreulich.
Hier sind die neun Faktoren, an denen Sie ein richtig gutes Hotel erkennen.
1. Der Check-in
Für mich ist es jedes Mal wieder spannend zu sehen, wie dieser erste direkte Kontakt im Haus gehandhabt wird – und wie viele Chancen Hotels hier direkt schon vergeben oder nutzen. Beim Check-in möchte ich als Person gesehen und entsprechend der Situation behandelt werden. Werde ich bei meiner Ankunft buchstäblich vollgequatscht oder ist man an der Rezeption empathisch genug, um zu verstehen, dass es spät am Abend ist und ich einfach nur auf mein Zimmer möchte?
In manchen Hotels bin ich auch Stammgast, damit wird es überflüssig, mir zum 20. Mal die Abläufe zu erklären. Ein gutes Hotel kennt seine Stammgäste und gestaltet den Check-in dementsprechend. Werde ich also nur auf relevante Neuheiten hingewiesen oder wird jedes Mal ein identisches Standardprogramm abgespult? Man muss kein Travel-Experte sein, um in manchen Hotels zu erkennen, dass beim Check-in leider der Prozess im Mittelpunkt steht – der Gast dagegen nur im Weg. Deutschlands herzlichstes Willkommen erlebte ich im Spa & Resort Bachmair Weissach in Kreuth.
2. Kommunikation vor und nach dem Aufenthalt
Das bringt mich zu Punkt zwei: Herausragende Hotels erkennen Sie nämlich daran, dass der Check-in-Prozess lange vor Ihrer eigentlichen Anreise beginnt. Ein Haus, dem ein exzellentes Gasterlebnis am Herzen liegt, wird sich nämlich die Mühe machen, Wichtiges mit Ihnen im Vorfeld zu klären.
Diese Gastfokussierung bringt für mich das Grandhotel Heiligendamm an der Ostsee auf den Punkt. Hier beginnt der Check-in Tage vor meiner eigentlichen Ankunft mit einem Telefongespräch. Fragen nach Twin- oder Doppelbett, Spa-Buchungen oder Tischreservierungen werden vom Guest Relations Team geklärt, bevor ich die Lobby überhaupt betreten habe. Das Hotel holt mich ab, bevor ich da bin. So startet eine optimale „Customer Journey“.
3. Die Matratze
Kommen wir nun zu einer der wichtigsten Hardware-Komponenten, die es im Hotel überhaupt gibt: die Matratze. Denn brechen wir die Daseinsberechtigung eines Hotels auf das ganz Wesentliche herunter, geht es doch vor allem um eins: ums Schlafen. Es gibt Statistiken, die belegen, dass 80 Prozent aller Hotelgäste die Seite des Bettes bevorzugen, die sich näher zum Bad befindet. Logische Konsequenz: Diese Matratze wird stärker beansprucht und ist dementsprechend schneller durchgelegen.
Ein gutes Hotel erkennen Sie daher auch daran, dass die Matratzen regelmäßig getauscht oder gewendet werden, sodass Sie bei linker und rechter Seite des Bettes keinen unterschiedlichen Härtegrad feststellen. Mittlerweile bestelle ich meine privaten Matratzen bei den besten Hotelanbietern. Bestens schlafe ich übrigens im Severins Resort und Spa auf Sylt.
4. Die Minibar
Natürlich ist ein gelungener Aufenthalt immer ein Gesamterlebnis, das sich aber nun mal aus einer Vielzahl kleiner Puzzleteilchen zum großen Ganzen zusammenfügt. Auf meiner Suche nach genau diesen Puzzleteilen schaue ich im Zimmer daher auch direkt in die Minibar. Und glauben Sie mir: Hinter diesen kleinen Kühlschranktüren finde ich oft große Überraschungen. Erwartet mich hier das Standardprogramm? Also ganz böse formuliert: das Zeug, das keiner will. Oder ist die Minibar aus der Perspektive des Gastes bestückt?
Dafür ist es notwendig, dass sich ein Hotelier auch mal die sogenannte „Renner-Penner“-Liste anschaut. Welche Dinge werden nie, aber wirklich niemals vom Gast konsumiert? Und was wird dagegen immer als Erstes aus der Minibar genommen? Aus dieser Liste lassen sich Präferenzen ableiten, die ein gutes Hotel berücksichtigt. Also keine absurden Getränke oder dröge Nüsschen, die zu nah am Mindesthaltbarkeitsdatum sind, sondern gute Qualität bei den Dingen, die der Gast wirklich will. Die für mich beste Ausstattung hat diesbezüglich das Hotel Adlon Berlin.
5. Das Frühstücksbüfett
Ich kann zwar nicht im Kaffeesatz lesen, wohl aber im Frühstücksbüfett. Hier lässt sich nämlich auch ohne hellseherische Fähigkeiten viel über die Qualität und Philosophie eines Hauses erkennen. Gibt es zum Beispiel Produkte aus der Region, vielleicht sogar aus dem Hotelgarten oder der benachbarten Landwirtschaft? Oder muss die Butter immer aus Frankreich kommen? Das Erste ist sicherlich der modernere Ansatz (exzellent im Grand Elysée in Hamburg).
Mir persönlich ist es sympathisch, wenn nach regionalen Alternativen gesucht wird, die den traditionellen Spitzenprodukten oft durchaus das Wasser reichen können. Es gibt dem Ganzen eine viel individuellere Note, wenn die Herkunft der Produkte transparent ist, vielleicht sogar erklärt wird, mit welchen lokalen Manufakturen und Zulieferern gearbeitet wird.
Nach meinem Dafürhalten sollte dies zum grundlegenden Selbstverständnis jedes Luxushotels zählen: Individualität statt standardisierter Corporate Attitude. Das machen übrigens auch exzellente, kleinere Hotels, wie zum Beispiel das Landhotel Foresta im Harz: Liebe pur.
Das darf aber natürlich keine Kompromisse in Sachen Qualität bedeuten. Kommt der immer gleiche Obstsalat aus dem Eimer statt dass saisonale Produkte verwendet werden? Gibt es nur überzuckerte Standardware bei den Säften? Das spricht nicht gerade für das Hotel. Ich persönlich nehme etwas weniger Auswahl gern in Kauf, wenn mir plausibel erklärt wird warum. Also lieber nur ein oder zwei richtig gute, frisch gepresste Säfte statt eines sinnlosen Überangebots in minderer Qualität.
6. Die Kommunikation während des Aufenthaltes
Wir haben nun schon viel über die Hardware gesprochen. Es gibt aber auch eine abstrakte Komponente, an der Sie ein gutes von einem wirklich herausragenden Hotel unterscheiden können: die Kommunikation während des Aufenthaltes. Wie nah bleibt das Hotel am Gast? Überlässt man Sie nach dem Check-in sich selbst oder versucht man den Dialog zu halten?
Zwei Hotels mit optimalen Lösungen sind für mich VILA VITA Parc in Portugal und Schloss Elmau in Bayern. Hier wird digitale Technik genutzt, um mit dem Gast in Kontakt zu bleiben, ohne aufdringlich zu sein. In Portugal löst man das per Whatsapp-Service, über den ich als Gast jeden Tag Neuigkeiten und Updates direkt aufs Smartphone bekomme. Noch besser in Schloss Elmau: Ein Großteil der Kommunikation zwischen Gästen und Hotel findet per SMS statt. Alles, was für den Gast relevant ist, wird so übermittelt.
So weit, so gut. Doch man geht noch einen Schritt weiter: Eine eigens entwickelte Software sammelt alle SMS zentral und wertet sie aus. Für den Gast gibt es so keine wechselnden Ansprechpartner mehr – alle Mitarbeitenden kennen meine Präferenzen, ohne danach zu fragen. Für mich wahres Spitzenniveau.
7. Der Spa
Wie Leser meiner Kolumne wissen, bin ich bekennender Spa-Fan. Hier lässt sich für mich schnell erkennen, welchen Anspruch das jeweilige Haus an sich selbst stellt. Um eines gleich klarzustellen: Ich meine damit nicht Sauberkeit, Hygiene und gut geschulte Massagetherapeuten. Das ist ohnehin ein Punkt, den ich als Standard voraussetze und erwarte. Sollten Sie ein schmuddeliges Spa vorfinden, lautet meine Handlungsempfehlung: Checken Sie aus – und zwar schnell.
Ich meine etwas anderes. Schließlich kommt ein Hotel den Gästen sonst kaum so nahe wie im Spa. Wird hier also alles auf den Gast ausgerichtet oder gibt ein seitenlanges Spa-Programm, in dem es von Überflüssigem nur so wimmelt? Für mich der Gipfel der Belanglosigkeit: die Schokoladenmassagen. Bis heute hat sich mir dieses Konzept nicht erschlossen. Was mich dagegen begeistert sind gute Massagen, gute Treatments, gute Mani- und Pediküre. Die beste gibt es übrigens im Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg und im Brenners Park Baden-Baden.
Ganz wichtig: Der Verkauf im Spa. In vielen Hotels wird das sträflich vernachlässigt, obwohl Studien aus der Hotellerie zeigen, dass Gäste glücklicher sind, wenn sie Geld ausgeben. Was das über uns als Konsumgesellschaft aussagt, sei dahingestellt. Tatsache ist: Gäste kaufen gerne ein und sind während einer Massage oder Kosmetikbehandlungen einem Mitarbeitenden für mindestens eine Stunde, nun ja, „ausgeliefert“. Würde man hier die Produkte, mit denen ohnehin schon behandelt wird, auch gleich noch verkaufen, würde der Gast noch glücklicher aus dem Spa kommen. Klingt absurd, ist aber messbar.
8. Die Prozesse
Sind die Prozesse im Hotel aus Sicht des Gastes oder doch eher aus der Unternehmensperspektive gedacht? Dient der Prozess dem Gast oder muss der Gast sich dem Prozess unterordnen? Frühstückszeiten sind für mich so ein Thema. Dass ich als Gast nicht erwarten kann, dass mir bis in den Nachmittag hinein ein komplettes Büfett zur Verfügung steht, ist nachvollziehbar. Aber warum kann ich um 15 Uhr nicht trotzdem ein kleines Frühstück à la carte bekommen? Die Zutaten befinden sich doch im Haus.
Gleiches gilt für den Check-in. Hier leistet beispielsweise der Breidenbacher Hof in Düsseldorf Pionierarbeit und zeigt, dass man Prozesse auch ganz neu denken kann. Zeitfenster für Check-in und Check-out wurden konsequent abgeschafft. Der Gast bucht das Zimmer für 24 Stunden, er kommt und geht, wann er möchte. Das ist 100 Prozent Fokus auf die Bedürfnisse des Gastes. Keiner behauptet, dass dies logistisch einfach ist. Dass es machbar ist, wäre damit aber bewiesen.
9. Die Website
Wir leben in digitalen Zeiten. Wer das immer noch nicht verstanden hat, hat wahrscheinlich viele der oben genannten Kriterien auch nicht verstanden. Deswegen können Sie ein gutes Hotel inzwischen durchaus schon an der Website erkennen. Das fängt bei der Onlinesuche an. Lande ich direkt bei Portalen wie Booking oder finde ich im Ranking tatsächlich das Hotel an erster Stelle?
Eine zeitgemäße Hotel-Website muss außerdem auf verschiedene Endgeräte vorbereitet sein. Egal ob potenzielle Gäste via Smartphone, Tablet oder Computer auf die Seite kommen und egal mit welchem Browser: Die Website muss responsive sein, also flexibel, sodass sie auf jedem Gerät gleich gut funktioniert. Gleiches gilt für eine durchdachte Navigation, relevante Information und natürlich auch für das Webdesign. Eine gute User-Experience ist heute wichtiger denn je. Nicht nur, weil buchungswillige Gäste sonst eventuell direkt wieder abspringen, sondern einfach weil ein wirklich gutes Hotel in jeder Disziplin und Umgebung glänzen sollte – auch in einer digitalen. Weltklasse ist hier das Orania Berlin.
Die Liste ließe sich fortsetzen – am Ende geht es immer um die gleiche Frage: Steht der Gast im Mittelpunkt – oder im Weg?