Ich wohne in der Stadt der prachtvollsten und teuersten Unterkünfte Europas in einem wiedererwachten Hotel-Highlight und es bestätigt sich für mich: es gibt Städte, in die zieht es einen immer wieder.
Endlich mal wieder Paris: ich wohne diesmal mitten in Montparnasse im Pullmann, ein 957 Zimmer-Hotel auf 32 Etagen, das vor fünf Monaten nach vier Jahren Bauzeit wiedereröffnet wurde und nun das neue Flaggschiff der Pullmann Gruppe, einer Marke von Accor, ist.
Ehrlich gesagt: große Hotels lösen bei mir a priori immer erst einmal negative Gefühle aus. Als junger Mann habe ich einige Zeit in den USA verbracht und besuchte die Cornell Universität für Hotelmanagement. Im Rahmen meiner Studien nahm ich an einer Führung durch das Marriott Marquis am Times Square teil. Ich war beeindruckt von den Prozessabläufen, wie ein Uhrwerk schien alles ineinander zu greifen. Aber ich spürte schon damals was in diesem riesigen Haus fehlte: die Wärme. Viele Jahre später sollte ich Hotelmanager im damals größten Hotel in Deutschland werden, dem Sheraton in Frankfurt. Glücklicherweise hielt mich Reto Witwer, mein damaliger CEO, davon ab und gab mir stattdessen das Hotel Adlon als erster Hotelmanager in Berlin zur Eröffnung – Klasse statt Masse.
Heute nun bin ich also wieder in einem riesigen Hotel gelandet und stelle fest: die Welt hat sich weiterentwickelt. Accor, das darf ich vorwegschicken, ist eine Marke, mit der ich bis vor kurzem wenig anfangen konnte. Der Konzern war für mich der Inbegriff der Mittelmäßigkeit, der Gleichmacherei und des günstigen französischen Hotelgeschäfts ohne Seele. Da habe ich mich allerdings sehr getäuscht.
Ich lernte Maud Bailly, CEO Accor Südeuropa, kennen. Eine unglaublich engagierte Frau voller Herzenswärme, Drive und Fokus, den ich in der Hotellerie nur ganz ganz selten erlebt habe. Ihre Liebenswürdigkeit und Ihre Liebe zum Detail sind mir aufgefallen, als sie ihren Jahresurlaub in Spanien in einem Hotel verbrachte, in dem ich zu Gast war. Maud arbeitete selbst in ihren Ferien gefühlte 18 Stunden am Tag an der Verbesserung des Produktes und der Dienstleistung.
Und genau das spüre ich jetzt hier im Pullmann in Paris. Das Hotel ist sehr groß, die Prozesse sind zweifellos perfekt aufeinander abgestimmt. Aber – und das ist das Erstaunliche für mich – jetzt passt auch das Interieur: es passen nicht nur die Wege, sondern auch die Art, wie die Wege gestaltet sind. Auch die Lichtstimmung gefällt mir ausgezeichnet.
Und die Zimmer: sie sind nicht nur pragmatisch, wie man sie von großen Häusern kennt, sondern auch mit einer gewissen Finesse eingerichtet. So fehlt mir für ein Haus dieser Klasse tatsächlich nichts. Natürlich ist das kein Luxus im klassischen Sinne, aber für die Größe des Hotels und die enorme Anzahl der Zimmer ein Quantensprung.
Interessant auch: Accor hat sich vor ein paar Jahren an einer Restaurantkette gekauft beteiligt, die wirklich fantastische Restaurantkonzepte betreibt: Paris Society. Zwei dieser neuen Gastro-Konzepte finde ich hier im Haus: Umami-Burger und Fi’lia. Wer die echte italienische Küche bevorzugt, wird von dem mediterranen Angebot im Fi’lia begeistert sein. Im Fokus stehen traditionelle Rezepte, die immer wieder neu erfunden und von lokalen Produkten inspiriert werden. Im Umami Burger wird mein Hot-Dog Spezial in einer jungen und lichtdurchfluteten Atmosphäre vor meinen Augen gegrillt und zubereitet. Die kalifornische Marke ist jenseits des Atlantiks schon lange eine feste Größe und eröffnete das erste europäische Restaurant ausgerechnet hier im neuen Pullmann. Das Grill-Ergebnis: ein erstklassiger Gourmetburger, der nichts mit klassischem Fast Food gemeinsam hat.
Das hier ist sicherlich ein ganz spannender Weg: gute Hotellerie mit hervorragender Gastronomie zu verbinden und so eben auch Häusern, die das nicht leisten können, den Rang abzulaufen.
Darüber hinaus hat Accor in den letzten Jahren strategisch exzellent gearbeitet und spannende Marken gekauft: 25 hours, Delano und Mondrian, beide aus Miami, die Marke Fairmont, Betreiber des Vier Jahreszeiten in Hamburg, derzeit das beste Hotel in Deutschland und Raffles, die Marke, die derzeit weltweit für Aufsehen sorgt. Der Hotelkonzern deckt also die Hotelskala von ein bis sechs Sterne komplett ab und ist mit dem Pullmann nun in ein Business-Segment vorgestoßen, das mich tatsächlich begeistert.
Was mir an diesem Riesenhotel auch auffällt: die Küchen- und Sous-Chefs sind alle ständig draußen am Gast – schon morgens beim Frühstück. Sie kommen an den Tisch und reden mit den Gästen. Das habe ich in Hotels selten erlebt und schon gar nicht in einem so großen Hotel. Ich bin sehr angenehm überrascht.
Das Luxuskaufhaus La Samaritaine erstrahlt in neuem Glanz
Mittlerweile bin ich im 1. Arrondissement am rechten Seine-Ufer an der Pont-Neuf angelangt. Mein Ziel: das legendäre Luxuskaufhaus La Samaritaine. Sechzehn Jahre wurde das legendäre PariserNobelkaufhaus von Eigentümer Bernard Arnault (LVMH) für über 750 Millionen Euro pracht- und prunkvoll renoviert. Seit vergangenem Jahr hat es nun wieder eröffnet. Hier findet sich auf fünf Etagen wirklich alles, was das Luxus-Herz begehrt. Und: eine wunderschöne grau-blaue Eisentreppe (einst designt von Gustave Eiffel), die über fünf Etagen reicht und mit 16000 goldenen Blättern verziert ist. Emmanuel Macron hat – Ohrenzeugen beschwören das – begeistert „O lala!“ ausgerufen, als er die original restaurierte Treppe im La Samaritaine das erste Mal sah.
Ich denke plötzlich an T. S. Eliott, den berühmten Schriftsteller, der einmal so treffend sagte: „Die Hauptgefahr für Paris ist, dass es so anregend ist“ und mache ich auf zu einem Erkundungswalk. In Paris zu flanieren heißt, sich nie zu langweilen
Das Mama Shelter-Hotel: Batman meets Togo
Wenn ich schon mal hier im Osten bin, schaue ich bei der Gelegenheit kurz in das angesagte und für Pariser Verhältnisse eher günstige Stammhaus der Pariser Mama Shelter-Designhotels in der Rue Bagnolet rein, mittlerweile gibt es in Paris drei Mama Shelter-Hotels, auch ein Accor Produkt. Hier hat man sich einen Design-Großmeister geleistet, der bei der Innenausstattung tatsächlich ganze Arbeit geleistet hat: Philippe Starck. Besonderer Design-Clou für mich: die Batman-Lampen an den Betten und die überall präsenten Stoffe einer Frauen-Kooperative aus Togo. www.mamashelter.com
Ein Haus mit Geschichte: das Molitor Spa-Hotel Paris MGallery
Kurze Pause von der klassischen Paris-Romantik: ich fahre ins 16. Arrondissement, dem Stadtviertel Auteuil am Rande der Peripherique. Hier findet sich die derzeit wohl coolste Hotel-Alternative in Paris: das Hotel Molitor Paris MGallery, ein ikonisches Fünf-Sterne-Hotel – benannt nach der nahe gelegene Port Molitor – das die weltberühmten Tennisplätze von Roland Garros und die Fußball-Stadien Parc des Princes und Jean Bouin überblickt.
Der Clou: die zwei Art-Deco-Pools aus dem Jahre 1929, um die das neue Hotelensemble herumgebaut wurde. Das sogenannte Piscine Molitor, von Architekt Lucien Pollet entworfen, war nach seiner Eröffnung 1929 sechzig Jahre lang das beliebteste – auch elitärste – Pariser Schwimmbad, verlor dann irgendwann an Glanz – 1989 wurde es geschlossen. In den Folgejahren war das leerstehende denkmalgeschützte Gebäude von Straßenkünstlern aus der ganzen Welt besetzt – die einst glamourös Anlage zerfiel. Seit der Schließung engagierte sich eine Bürgerinitiative um die Wiedereröffnung des legendären Hotels.
Seit 2014 hat Paris sein wohl schönstes Schwimmbad zurück: nach einer Umbauzeit von zweieinhalb Jahren und Baukosten von 80 Millionen Euro wird das Molitor als Luxushotel mit 214 Zimmern von der zur Accor-Gruppe gehörenden Hotelkette MGallery wiedereröffnet und betrieben. Um dort schwimmen zu können, sollte man allerdings möglichst Hotelgast sein – die Tages- und Jahrespässe für normale Piscine-Tages-Gäste und Clubmitglieder sind teuer.
Ich bin begeistert von der eindrucksvollen Architektur der außergewöhnlichen Hotel-Anlage und der überall sichtbaren Streetart-Kunst mit ihrem zeitgenössischen Minimalismus. Die vielen kunstvollen Details wie die Fenster mit ihren aufwändigen Glasmosaiken machen den ganzen Gebäudekomplex zu etwas Besonderem.
Als ich in den Pool tauche denke ich daran, dass hier in den ersten Jahren des einstigen Schwimmbades, kein Geringerer als US-Olympiasieger und Tarzan-Darsteller Johnny Weismuller Bademeister war – seine fünf Goldmedaillen hatte er zu der Zeit schon gewonnen. Auch die ersten modernen Bikinis wurden 1946 hier am Sommerbecken des Molitor-Schwimmbeckens von den ersten Bademode-Models vorgeführt. Wer hier ins Schwimmbecken steigt, schwimmt an einem Ort mit Geschichte.
Mein Tipp: Wer in den heißen Sommermonaten in die Stadt an der Seine kommt, wird hier außerhalb der Großstadt seine ganz besondere Sommerfrische und das perfekte Spa-Hotel erleben. In Sachen Wellness wird neben den beiden spektakulären Pools übrigens noch mehr geboten: die Molitor’s Spa betrieben von Clarins ist das wohl größte in Paris.
Zurück in Montparnasse und im Pullmann-Hotel. Ich sitze im 32. Stock auf der traumhaften, höchsten Freiluft-Dachterrasse von Paris in der Rooftop-Bar und schaue voll mit Eindrücken dieser tollen Stadt auf den surreal schön beleuchteten Eiffelturm und auf die „Ville lumière“, die Stadt der Lichter. Ein Ausspruch von Montaigne kommt mir in den Sinn, der einmal sagte: „Je mehr ich andere schöne Städte sah, desto näher ist die Schönheit dieser Stadt meinem Herzen“. Comme il a raison!
Rath`s Reise-Rating:
- Ausdrückliche Reisewarnung
- Besser als unter der Brücke
- So la-la, nicht O-la-la
- Meckern auf hohem Niveau
- WENN’S NUR IMMER SO WÄRE
- Ganz großes Kino