Die Grande Dame der Münchener Hotellerie hat einige Falten

Der Bayerische Hof gilt seit Jahrzehnten als Spitzenadresse in Bayern, schneidet jedoch im Ranking der 101 besten Hotels nur mittelmäßig ab. Warum ist das so?

Im Herzen von München - Der Bayerische Hof ist seit fünf Generationen in Familienbesitz – aber aktuell nicht mehr in der Spitzengruppe der deutschen Hotels vertreten. (Foto: Benjamin Monn)

Normalerweise sind die Profitester des Rankings der 101 besten Hotels Deutschlands kritischer als die Gäste der jeweiligen Häuser – das ist seit Jahren so. Nur beim Bayerischen Hof in München sind die Gäste selbst die größten Kritiker. Bei ihnen hat es das Haus in der aktuellen Rangliste nur ganz knapp unter die ersten 200 geschafft.

Noch einmal zum Verständnis: Das Ranking, vom Institut für Service Excellence in Partnerschaft mit dem Handelsblatt alljährlich kommuniziert, basiert auf drei Säulen: Säule eins bilden die Gästefeedbacks, konsolidiert aus offenen und geschlossenen User-Kreisen unter anderem der Portale von Booking und Tripadvisor. Säule zwei setzt auf internationale Rankings wie die von Forbes, Bilanz und Hornstein, worin wiederum die führenden Gastrokritiken konsolidiert werden. Säule drei besteht aus den persönlichen Erfahrungen der 101-Profitester. Alle drei Säulen sind mit je 33,3 Prozent gleich gewichtet.

Die im Vergleich zu den besten Häusern erheblich schlechteren Gästefeedbacks zum Bayerischen Hof ziehen das Gesamtergebnis runter, das durch ein arithmetisches Mittel der beiden Professoren Annegret Wittmann-Wurzer und Peter Thuy von der Internationalen Hochschule (IU) in München möglichst objektiv die Feedbacks aus den unterschiedlichen Kanälen widerspiegelt.

Ich habe mich also selbst auf den Weg in den Bayerischen Hof gemacht und will wissen, wie es sich erklärt, dass das Haus nicht auf den Spitzenplätzen zu finden ist, wo es sich selbst sieht.

So erhielt ich kürzlich eine E-Mail, in der mir der PR-Chef schrieb, dass Geschäftsführerin Innegrit Volkhardt „traurig, enttäuscht und verärgert“ sei, wann immer sie sich mit ihrem Ergebnis im 101-Hotels-Ranking beschäftigen würde.

Bayrischer Hof in München in fünfter Generation in Familienbesitz

Ich parke um die Ecke und gehe zu Fuß zum Promenadeplatz, da ich möglichst unbemerkt einchecken will. Hier steht seit 1841 das Traditionshotel; es ist seit fünf Generationen im Familienbesitz.

Vor der Tür bin ich erstaunt: Kein Doorman begrüßt die Gäste. Für ein Grandhotel der „Leading Hotels of the World“ ist das zu wenig. Persönlich getrübt wird meine Recherche, als ich beim Check-in von einem Mitarbeiter, der mich vor einigen Jahren bei einem Vortrag erlebt hat, erkannt werde und er dies natürlich überall im Haus kommuniziert.

Ändern wird dies nichts an meiner Bewertung. Ich erinnere mich an einen Dialog mit meinem guten Freund, dem Dreisternekoch Thomas Bühner. Den fragte ich mal, wie er reagiert in der Küche, wenn der Michelin-Tester erkannt wird. „Ich kann doch nichts mehr ändern“, sagte Bühner, „der Wagen steht in der Garage. Der Motor ist der Motor. Der Lack ist der Lack. Die Reifen sind die Reifen. Ich kann vielleicht noch mal über die Scheiben wischen, aber am Ende wird es das Ergebnis nicht verändern.“

Am Empfang - Der Tester blieb nicht unerkannt, wurde aber kurioserweise nirgendwo im Hotel mit seinem Namen angesprochen. (Foto: Benjamin Monn)

Gleichwohl spricht mich fortan außer dem besorgten und herzlichen Concierge kurioserweise niemand im Hotel mit Namen an. Stattdessen werde ich immer wieder penetrant nach meiner Zimmernummer gefragt.

Vorab hatte ich, um unerkannt zu bleiben, einen Freund gebeten, im Hotel anzurufen und einen Tisch für das Abendessen zu reservieren. Eine freundliche Dame erklärte ihm, dass winterbedingt nur zwei der Restaurants geöffnet seien, und hat ihn dann mit der Blue Spa Lounge verbunden. Überraschung: Der Mitarbeiter dort bittet allen Ernstes darum, den Tisch doch besser über die Homepage zu reservieren, statt die Reservierung entgegenzunehmen.

Das ist kein guter Service; außerdem geht natürlich so der ein oder andere Gast verloren. Das Verfahren One-Stop-Shop gilt schon seit den 1980er-Jahren in der Hotellerie als selbstverständlich – der Verweis auf die Homepage ist das Gegenteil von Service Excellence.

Ein Rooming, also die Begleitung zum Zimmer, die Erklärung des Zimmers und der Dienstleistungen des Hotels, wurde mir nicht angeboten. Auf dem Weg zum Zimmer fällt mir auf: Die Flure sind alle ordentlich, hell, prinzipiell sauber und stilvoll dekoriert. Mein Zimmer selbst ist luxuriös renoviert. Der Fernseher zeigt zum Willkommen meinen Namen ohne Anrede an: „Guten Tag Rath“. Eine Übergardine ist oben an einer Stelle ausgerissen. Aber das sind Kleinigkeiten.

Ich bin im Blue Spa, der sich über drei Etagen erstreckt und nach Plänen der französischen Innenarchitektin Andrée Putman entstand. Im Vorbeigehen schaue ich in das Fitnesszentrum, das Hollywood-Vorzeige-Bodybuilder Ralf Möller konzipiert hat: Es ist sauber, modern-funktional mit neuesten Luxusgeräten eingerichtet und bietet einen grandiosen Blick auf München.

Nicht zu übersehen - Im hochgelobten Blue Spa gibt es einige Schwachstellen. (Foto: Carsten K. Rath)

Im Blue Spa trifft sich im Sommer die Münchener Gesellschaft, jetzt im Winter ist er einfach nur sehr voll. Und Service: Fehlanzeige. Zwei Damen sind mit sich und dem Feuer des Kamins beschäftigt – beachtet werde ich nicht. In vergleichbaren Spas dieser Klasse wird in aller Regel zum Beispiel ein Wasser oder Tee angeboten. Und wenn es auch nur ein kleiner Small Talk ist: Das gehört dazu.

Die elegante Falk’s Bar ist rein optisch eine der schönsten Hotelbars in München, ach was – in Deutschland. Im denkmalgeschützten Ambiente des Spiegelsaals mit stuckverzierten Decken findet sich keine Spur der Düsterness so mancher Bars. Dennoch fühle ich mich nicht wirklich wohl.

Eine gute Bar zeichnet sich auch dadurch aus, dass Alleinreisende vom Barkeeper in Small Talks involviert werden. Keine Spur davon. Stattdessen trinkt der Barkeeper vor allen Gästeaugen lässig eine Cola. Vielleicht denke ich etwas Old School, aber so etwas wäre zu meiner Zeit als Kellner undenkbar gewesen. Nach alter Hotelschule hat der Kellner zum Trinken den Barbereich zu verlassen.

Falk’s Bar - Von der Hardware ein Highlight – im Service jedoch fehlt Excellence und Herzlichkeit. (Foto: Benjamin Monn)

Nun freue ich mich auf das Abendessen und suche erst einmal den Aufzug. Auch nach mehrmaliger Prüfung finde ich in den langen Gängen keine Ausschilderung. Die Bouillabaisse im Blue-Spa-Restaurant ist zwar nicht klassisch, aber hervorragend mit einem wunderbaren Fischfond zubereitet. Auch der Hauptgang, das Kalbsfilet, schmeckt vorzüglich. Die Küchenleistung hat mich überzeugt.

Bayrischer Hof: Beim Frühstück fehlt die ordnende Hand

Am nächsten Morgen sitze ich um acht Uhr morgens beim Frühstück. Der große Raum bietet einen wundervollen Panoramablick auf die prächtige Frauenkirche. Das Buffet ist sehr schön präsentiert, mir fehlt auf den ersten Blick nichts.

Auch die Tische sind wertig eingedeckt. Ich registriere mehr Mitarbeiter als Gäste. Aber irgendwie fehlt die ordnende Hand, der Oberkellner. Niemand fragt mich zum Beispiel, ob ich eine Eierspeise möchte, wohl aber zuvor an der Tür wieder nach der Zimmernummer. Zum Tisch begleitet werde ich nicht. Kellner stehen in kleinen Trauben zusammen, reden miteinander.

Dann erscheint der Oberkellner doch noch, stolziert, die Hände hinter dem Rücken verschlossen am Buffet vorbei, checkt dann sein Handy. Weder die Mitarbeiter noch die Gäste werden von ihm begrüßt – und später auch nicht verabschiedet. Die Aufgabe dieses Managers erschließt sich mir nicht.

In solchen Momenten zeigt sich der feine Unterschied zwischen einem guten Hotel wie dem Bayerischen Hof (Booking-Bewertung: 8,0) und den Besten der Besten: Im Grand Resort Bad Ragaz in der Schweiz etwa (9,2), im Sacher in Wien (9,4) oder im Hamburger Vier Jahreszeiten (9,4) wäre ich selbstverständlich längst mit Namen begrüßt und nach meinen Wünschen und meinem Befinden befragt worden. Tageszeitungen angeboten zu bekommen gehört ebenfalls dazu.

Im Kolonialstil - Die Zimmer im Bayerischen Hof sind zum großen Teil sehr gut renoviert. (Foto: Roland Bauer)

Und die Konkurrenz in München schläft keineswegs: Im Rücken des Bayerischen Hofs entsteht in einem fantastischen Gebäude mit riesigem Aufwand der Schörghuber-Gruppe das neue Rosewood, das die Münchener Hotelszene ab 2024 komplett durcheinanderschütteln könnte.

Mein Fazit: Der Bayerische Hof ist ein gut geführtes Haus. Es ist in den Bereichen, die ich kennenlernen konnte, aufwendig renoviert und spiegelt den Charme Bayerns wider. Das Haus ist weder großartig noch so schlecht, wie es in manchen Kommentaren auf Tripadvisor oder Booking.com gemacht wird. Schwachstellen habe ich im Spa gefunden, der zwar hochgelobt, aber aus meiner Sicht für die Anzahl der Zimmer und Gäste zu klein ist – und bei der Herzlichkeit der Mitarbeiter, die sich mir tatsächlich kaum im Haus erschlossen hat.

Und: Offenbar ist der Bayerische Hof ein Hotel, in dem die Gäste sehr unterschiedlich behandelt werden. Jedenfalls lässt die große Bandbreite der Onlinekritik darauf schließen. Wir sind in unserer Branche immer nur so gut wie das letzte Essen, das wir serviert haben. Deswegen ist die ungeschminkte Wahrheit, die der Gäste-Empfindungen, nicht wegzuwischen.

Und wenn ich zum Ende meines Testbesuchs dann die Häuser der Spitzengruppe der Münchener Hotels miteinander vergleiche, sind die unterschiedlichen Flughöhen sehr klar: Der Bayerische Hof belegt nach dem Mandarin Oriental und dem The Charles in meiner persönlichen Bewertung aktuell nur den dritten Platz. Was bleibt, ist der notwendige Fokus auf jeden einzelnen Gast und in Teilen die Veränderung der Haltung einzelner Mitarbeiter.

Nachbar in Sichtweite - Ab 2024 wird das neue Rosewood-Hotel wohl das Maß aller Dinge in München werden. (Foto: Carsten K. Rath)

Beim Check-out erfahre ich, dass die Hoteldirektorin Innegrit Volkhardt meine Zimmerkosten von der Rechnung streichen ließ. Bei meinen Tests zahle ich die Rechnungen immer selbst, und auch hier habe ich darum gebeten. Es wurde nicht zugelassen. Der Transparenz halber erwähne ich das – mein Testergebnis hat dies natürlich in keiner Weise beeinflusst.

Plus: Zimmer luxuriös renoviert, zentrale Lage im Herzen von München. Minus: Fehlende Service Excellence, das ganze Haus ist überhitzt (Hinweis einer Mitarbeiterin: „Im Winter schalten wir die Klimaanlage ab“).

Raths Reise-Rating (aktuelle Wertung gefettet):
1. Ausdrückliche Reisewarnung
2. Besser als unter der Brücke
3. So lala, nicht oh, là, là
4. Meckern auf hohem Niveau
5. Wenn’s nur immer so wäre
6. Ganz großes Kino

Insidertipps:

Jogging: Meine Lieblingsstrecke führt vom Hotel an die nahe Isar. Egal ob dann den Fluss rauf oder runter: eine tolle Natur-Laufstrecke.

Bestes Restaurant: Mit dem „Jan“ im Museumsquartier hat Jan Hartwig im vergangenen Oktober sein mit Spannung erwartetes eigenes Restaurant eröffnet und knüpft vom ersten Tag an sein Drei-Sterne-Level an. Im Küchen-Fokus: nachhaltige Erzeuger höchster Produktqualität aus der Region.

Bester Asiat: Das „Matsuhisa“ im ersten Stock des Mandarin Oriental München, benannt nach dem weltweit gefeierten japanischen Starkoch Nobuyuki („Nobu“) Matsuhisa. Das einzige deutsche Matsuhisa ist berühmt für seine japanisch-peruanische Küche.

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