Außen hui, innen eher Chaos: Unser Hoteltester erlebt bei seiner jüngsten Übernachtung im Hotel in der Hamburger Elbphilharmonie eine kleine Odyssee.
Ich bin in Hamburg und freue mich darauf, im Westin Grand in der Elbphilharmonie zu übernachten. Das Hotel wurde Ende 2016 eröffnet. Seit 2017 gibt es die „Elphi“, wie die Elbphilharmonie liebevoll genannt wird. Schon von Weitem sehe ich aus dem Taxi das Wahrzeichen von Hamburg: 110 Meter hoch, 244 Zimmer im Hotel. Über 21 Stockwerke erstreckt sich das Westin. In 40 Meter Höhe beginnen die Zimmer, sie reichen bis zur 19. Etage unter dem geschwungenen Dach des Gebäudes.
Die exklusive Lage sorgt für hohe Zimmerpreise. Unter 200 Euro (bei meinem Aufenthalt zahle ich sogar rund 350 Euro für die einfachste Zimmerkategorie) ist nichts zu machen. Und das ist dann die Einstiegskategorie.
Ich fahre mit dem Taxi vor und bin das erste Mal irritiert. Denn Vorfahrt heißt in diesem Hotel: Man läuft allein mit seinem Gepäck etwa 50 Meter bis zum Eingang. Wer einen repräsentativen Hoteleingang mit Vorfahrt und Doorman erwartet, der ist – so wie ich – ernüchtert. Ich schleppe mein Gepäck über den zugigen Vorplatz, der mit seinen riesigen Steinpontons abweisend wirkt. Ein öder erster Eindruck, der im völligen Kontrast zu der imposanten Architektur und Noblesse der Elbphilharmonie steht.
Der Zugang zum Hotel erfolgt über einen wenig attraktiven Nebeneingang. Nur ein kleiner Schriftzug über der Tür verrät das Ziel. Hier muss ich mehrmals klingeln, bis mir geöffnet wird. Die eigentliche Lobby des Westin ist in der achten Etage untergebracht.
In meinem Zimmer bieten die bodentiefen, gewölbten Fenster einen grandiosen Ausblick auf das geschäftige Treiben der Megatanker auf der Elbe, die Speicherstadt und die Hafencity. Clever: In der Fensterfront befindet sich ein kleines Bullauge, das sich öffnen lässt. Eine frische Hamburger Brise strömt herein.
Die dunklen Flecken an den Fenstern stammen von einem speziellen Mikroaufdruck, der für das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes nötig ist und als Schutz vor Sonneneinstrahlung dient. Das Zimmer-Interieur folgt dem üblichen Westin-Corporate-Stil und ist kühl und schlicht. Und beige. Mir fehlt das Besondere, der Farbakzent, das Blumenarrangement, ein Kissen, ein Bild als Blickfang – einfach irgendetwas Wohnliches. Insgesamt ein Zimmer ohne Leidenschaft, Wärme und Raffinesse.
Die Lüftungsheizung ist viel zu warm, lässt sich nicht abstellen. Ich bemühe mich via Service-Express-Knopf am Telefon um Abhilfe. Man will mir einen Techniker schicken. 15 Minuten später ist noch kein Techniker zu sehen. Ich rufe wieder an, jetzt wird es skurril: „Hier ist das Westin Grand in München. Da gibt es eine Fehlschaltung, das passiert öfter die letzten Wochen. Wir wissen, dass sie in Hamburg sind, aber sie sind in München gelandet.“
Mehrmals spreche ich dann noch mit dem Westin in München. Man entschuldigt sich, dass die Mitarbeiter in Hamburg nicht reagieren. Endlich kommt eine nette Dame von der Rezeption. Sie bietet mir einen Umzug in ein kühleres Zimmer an. Ich ziehe dann noch zweimal um, bis ich endlich in einem temperaturerträglichen Zimmer lande. Wir nähern uns dem Drei-Sterne-Level immer mehr an.
Hotel in der Hamburger Elbphilharmonie: Alles ist irgendwie beige im Westin Grand Hamburg
Ich gehe hinaus auf die Außenplaza. Um das ganze Gebäude herum verläuft eine Promenade, die auch der Öffentlichkeit zugänglich ist. Ich umrunde die Elbphilharmonie einmal komplett. Die Außenfassade ist faszinierend und beeindruckt mich. Im Gegensatz dazu steht das unaufgeregte, ja langweilige Innendesign des Hotels. Alles ist irgendwie beige, und was nicht beige ist, ist braun oder grau.
Das Hotel kommt mir vor, als sei es uninspiriert hinter der grandiosen Fassade eingesetzt worden – fast wie ein Fremdkörper. Ich habe den Eindruck, dass sich der Hochbau- und der Innenarchitekt nicht kannten, in anderen Zeitachsen gearbeitet haben oder sich nicht mochten. Jedenfalls sprachen sie offenbar nicht miteinander. Hoffentlich war es nicht ein und dieselbe Person.
„Eine Reisewarnung wert“ – Carsten K. Rath im Westin Grand in der Hamburger Elbphilharmonie
Später will ich zum Abendessen und stelle fest: Das einzige Restaurant im Haus (für ein Hotel dieser Größe ist ein Restaurant zu wenig!) ist geschlossen. Seit Corona, sagt man mir, „und das bleibt auch so“. Ich kann in der Bar essen. Die ist natürlich nicht groß genug, um die vielen Gäste aufzunehmen.
Später schlafe ich im komfortablen „Heavenly-Bett“, eine Westin-Eigenanfertigung, trotz der ganzen Wallung ausgezeichnet. Am Morgen dusche ich mit mittelmäßigem Wasserdruck, habe mir gerade die Haare eingeseift, da wird das Wasser kalt. Ich denke an eine Temperaturschwankung, die sich schnell wieder reguliert, weit gefehlt: Das Wasser wird immer kälter und bleibt eiskalt.
Nachdem ich mich mit dem wenig wertigen, dünnen Handtuch abgetrocknet habe, greife ich mal wieder zum Telefon, in der Hoffnung nicht wieder in München zu landen. Es klingelt durch, keiner geht ran. Ich rufe zwei-, drei- und viermal an. Fehlanzeige. Das Westin Hamburg hat sich offenbar aufgegeben. Ein Armutszeugnis.
Dann endlich – natürlich – wieder München am Telefon. Ich erkläre denen meine Wasser-Not. Später klopft es an der Tür. Eine junge Dame steht mit einer Flasche Wasser auf dem Silbertablett vor der Tür: „Sie hatten eine Flasche Wasser bestellt.“ Ich verneine. „Doch, jemand hat angerufen, dass Sie Wasser brauchen“. „Ja“, sage ich, „das war Ihre Kollegin aus München mit der Nachricht von mir, dass ich kein warmes Wasser in der Dusche habe.“ „Dann bringe ich Ihnen warmes Wasser!“ „Nein, ich brauche es zum Duschen!“
Das Management nutzt das Hotel offenbar nicht selbst. Das ist das, was ich immer rate: Mal selbst als Gast im Hotel einchecken oder den Mitarbeitern als Motivation das Wohnen im Hotel zu ermöglichen. Dann würde ganz schnell auffallen, dass es in der Sauna zwar tolle Lichtspiele gibt, aber sie so dunkel ist, dass ich die Zeit auf der Sanduhr nicht erkennen kann. Oder das Fitnessstudio so klein ist, dass ich mir den Raum mit einem weiteren Gast teile und wir kaum zum Trainieren kommen, weil wir uns die Geräte gegenseitig aus dem Weg schieben, damit der andere mal ein Gewicht heben kann.
Westin Grand Hamburg: Gute Auswahl am Frühstücksbüfett
Auf dem schon ziemlich runtergekommenen Gerät will ich eine mir bekannte Einstellung wählen – es funktioniert nicht. Ich frage eine Mitarbeiterin, die mir sagt, sie kenne sich auch nicht aus mit den Geräten und sie würde mir raten, einfach nur zu laufen. So ist es noch nicht mal mehr ein gutes Corporate-Hotel.
Was mir gefällt: Jeden Abend bietet das Hotel von 17.45 bis 18.30 Uhr kostenlose Fitnesskurse an. Am Eingang zum Frühstücksraum mit Elbblick bleibt die junge Dame zur Begrüßung uninspiriert sitzen. Dazu ein gehuschtes „Guten Morgen!“ und die Frage nach der Zimmernummer.
Ich checke aus und wundere mich schon gar nicht mehr: keinerlei Entschuldigung (bis heute) der Direktion für die diversen Pannen, und ich zahle die volle Rate. Keine Führungskraft lässt sich blicken, keine freundlichen Worte der Verabschiedung.
Oft werde ich gefragt, in welchem Hotel ich meinen besten Aufenthalt hatte. Niemals wurde ich interessanterweise bisher gefragt, welches das schlechteste Hotel war, in dem ich je übernachtet habe. Nun aber weiß ich es: Das Westin Grand Hamburg kommt auf jeden Fall in die Top drei meiner schlechtesten Hotelaufenthalte in Deutschland.
Plus: Außergewöhnliche Lage mit spektakulärer Aussicht, die Architektur des Hauses.
Raths Reiserating (aktuelle Wertung gefettet):
1. Ausdrückliche Reisewarnung
2. Besser als unter der Brücke
3. So lala, nicht oh, là, là
4. Meckern auf hohem Niveau
5. Wenn’s nur immer so wäre
6. Ganz großes Kino
Insidertipps:
Joggingstrecke: Die große Runde durch den Hafen ist eine der atemberaubendsten Laufkulissen in Deutschland. Auf elf Kilometern sieht man diverse Sehenswürdigkeiten und die modernen Container-Terminals mit ihren riesigen Kränen. Startpunkt: U-Bahn-Station „Landungsbrücken“. Von dort durch den alten Elbtunnel auf die andere Seite der Elbe.
Sehenswürdigkeit: Das Miniaturwunderland in der Speicherstadt ist ein Must-See. Modellbaulandschaft der Superlative mit realistischen, komplett vom Computer gesteuerten Zugabläufen.
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